Biedermann und die Brandstifter
Es brennt lichterloh auf der Welt
Gottlieb Biedermann nimmt zuerst einen Brandstifter bei sich im Haus auf und dann noch einen. Dass Brandstifter in der Stadt ihr Unwesen treiben, weiß er. Aber irgendwie will er es nicht wahrhaben und dann glaubt er naiv, dass es ihn schon nicht erwischen wird. Als sogar er das Unheil sieht, hofft er verzweifelt, dass er es aufhalten kann, indem er die Brandstifter – inzwischen beherbergt er sogar einen dritten – zu seinen Freunden macht. Als Dank dafür jagen die Brandstifter sein Haus und umliegende Gasometer in die Luft. Warum? Aus Lust am Zündeln und aus einer gewissen Gewohnheit heraus. – Und weil es jemand zulässt, der feige und bewusst wegschaut.
„Ein Lehrstück ohne Lehre“ hat Frisch sein Stück vor über 60 Jahren genannt. – Leider hat er recht behalten: kindlich-lustvoll wird weitergezündelt.
Wo hört Vertrauen auf und wo fängt Misstrauen an?
Wann sagen wir „Nein“, bevor es zu riskant wird, „Nein“ zu sagen, und wir lieber schweigend zusehen?
Und vor allem: Wie viel Gramm Menschlichkeit steckt in einer Tube Senf?
Biedermann …
Biedermann: Wenn man jedermann für einen Brandstifter hält, wo führt das hin? Man muss auch ein bisschen Vertrauen haben, Babette, ein bisschen Vertrauen –
… und die Brandstifter:
Schmitz: Wer hätte gedacht, ja, wer hätte gedacht, dass es das … dass es das heute noch gibt? Heutzutage.
Biedermann: Senf?
Schmitz: Menschlichkeit.
Auf dass wir was lernen aus der Geschichte!
Sinnlos ist viel, und nichts
Sinnloser als diese Geschichte:
Die nämlich, einmal entfacht,
Tötete viele, ach, aber nicht alle,
Und änderte gar nichts.
Was nämlich jeder voraussieht
Lange genug,
Dennoch geschieht es am End:
Blödsinn:
Der nimmerzulöschende jetzt,
Schicksal genannt.
Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter