Letztes Kapitel G8
Am Dienstag haben am Robert-Schuman-Gymnasium Cham für 23 Oberstufenschüler, die ihr Abitur noch im G8-Modus ablegen, die Abschlussprüfungen begonnen. Das letzte Deutschabitur im G8 stellte noch einmal fünf Themen zur Wahl, in Zukunft werden es in Deutsch im G9 nur noch vier Themen sein. Bei der ersten Aufgabe galt es, das Gedicht „Die Nacht verrinnt, der Morgen dämmert“ von Arno Holz zu interpretieren, in dem der Dichter sozialkritisch die Kluft zwischen dem in der monotonen Fabrik- und Arbeitswelt gefangenen Proletariat sowie der in Saus und Braus lebenden Oberschicht thematisiert und anprangert. Heinrich von Kleists Drama „Die Familie Schroffenstein“ war Gegenstand der zweiten Aufgabe: In einer Romeo-und-Julia-Geschichte hoffen die sich liebenden Protagonisten Agnes und Ottokar, dass sie den existenzgefährdenden Konflikt ihrer Familien überwinden können. In dem vorgelegten Abschnitt aus dem dritten Aufzug scheint eine friedliche Versöhnung durch Aussprache und Vernunft möglich, das Drama endet jedoch mit der tragischen Ermordung der beiden Liebenden durch die eigenen Väter. Im Bereich der Epik wurde ein Auszug aus dem Beginn des modernen Romans „Das finstere Tal“ von Thomas Willmann zur Interpretation vorgelegt, dessen Handlung um 1900 spielt. Hier trifft ein Fremder – „fremd“ sowohl in Bezug auf seine geographische Herkunft als auch in Bezug auf seine Künstlerexistenz – auf ein feindlich wirkendes soziales Gefüge und bittet um Aufnahme und Gastfreundschaft. Er wird dabei zunächst rigoros zurückgewiesen, jedoch scheinen die Grenzen nicht mehr so unveränderlich zu sein, als klar wird, dass man aus dem Fremden Kapital schlagen könnte. Mit dem Einfluss verschiedener Sprachen auf das Deutsche, aber insbesondere mit tiefer gehenden Veränderungen, die die deutsche Grammatik und Syntax betreffen, setzte sich der inhaltlich und sprachlich zu analysierende Sachtext „Osteoporose im Sprachskelett“ des Anglizisten Theo Stemmler auseinander, der den Prüflingen aufzeigte, dass Sprachwandel zum Teil nicht nur „an der Oberfläche kratzt“ wie in Form der oft angeprangerten Anglizismen, sondern dass manche Phänomene die Grundstruktur unserer Sprache betreffen, unser „Skelett“. Die letzte Aufgabe bot die Möglichkeit, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, ob soziale Medien eher Chancen oder eher Risiken für die Identitätsbildung ermöglichen. Dass in vielen Fällen die Menschen mindestens zwei „Identitäten“ haben – eine reale und eine virtuelle – ist unbestreitbar. Aber wie damit umgehen? Und wessen „Identität“ wird eigentlich geschaffen, wenn Nutzer z.B. den Lifestyle von Influencern imitieren? – Diesem Thema konnten sich die Schüler in Form einer klassischen Erörterung oder in Form eines Essays nähern. Am Mittwoch, 7. Mai, steht das dritte Abiturfach, das die Gymnasiasten frei wählen durften, auf dem Terminkalender. Das Mathematik-Abitur findet noch am Freitag, 9. Mai, statt. Anschließend folgen dann noch die beiden mündlichen Prüfungen.
Text: Wolfram Steininger
Bilder: Gregor Raab